Feuerwehrseelsorger Andreas Lehenberger bei der Einweihung des Jugendfeuerwehrraums

Feuerwehr: Wer löscht, wenn die Seele brennt?


am 06.11.2020 von Barbara Rau

Feuerwehrleute sind im Dienst für den Nächsten im Einsatz und müssen dabei manche schwierige, auch belastende Situation meistern. Damit werden sie nicht allein gelassen. Feuerwehrseelsorger Andreas Lehenberger ist für seine Kameradinnen und Kameraden nicht nur in Isny da.

„Wir kommen nicht, wenn es allen gut geht – mal abgesehen von Täuschungsalarmen“, bringen es die Feuerwehrleute auf den Punkt. Aber nach so einem Einsatz, geht es da allen Feuerwehrleuten noch gut? Darüber hat sich früher kaum jemand Gedanken gemacht hat. Glücklicherweise hat sich das geändert. Und so gibt es Menschen wie Andreas Lehenberger, der sich nun schon im sechsten Jahr darum kümmert, wenn bei Feuerwehrleuten die Seele brennt.
Andreas Lehenberger ist selbst Feuerwehrmann und weiß, was zum Dienst dazugehört, was einen im Einsatz erwarten kann und auch, welche Sprache die Kameradinnen und Kameraden sprechen. Mit zwölf weiteren Kameraden ist er im Landkreis in Sachen Feuerwehrseelsorge unterwegs. Das Verständnis dafür, dass auch Feuerwehrleute seelischen Beistand brauchen, ist in den letzten Jahren gewachsen. „Es gibt noch weiße Flecken im Landkreis, manche meinen noch, das brauche es nicht, aber es wandelt sich“, weiß Lehenberger zu berichten. Er hat eine „Ausbildung in Stressbewältigung nach belastenden Einsätzen“ (SBE) gemacht, die aus vier Bausteinen besteht. Hinzu kam eine weitere Ausbildung über ein Jahr in Bruchsal, die von den christlichen Kirchen organisiert wird. Supervi-sionen sind dabei eingeschlossen.
Natürlich gibt es viele Einsätze, die nicht belastend sind, beim zigsten Brandmelder geht der Puls nicht hoch. Die Extremsituationen halten sich in Grenzen, aber Einsätze, die unter die Haut gehen, gibt es oft genug und auf dem Weg zum Einsatz stehen die Feuerwehrleute immer unter Hochspannung. Insbesondere Autounfälle können für die Einsatzkräfte hart sein. „Die Ungewissheit auf dem Weg zu einem Autounfall macht schon nervös. Der erste Blick fällt aufs Auto, kenne ich es?“, erzählt einer der Männer. „Wenn Menschen betroffen sind, ist die Nacht meist gelaufen.“ Besonders hart sind Einsätze, bei denen Kinder, Jugendliche oder Bekannte betroffen sind.

Kultur des Aufgehobenseins

„Vor Ort sind die Kameradinnen und Kameraden mit der Tragik der Unfallopfer konfrontiert“, erläutert Lehenberger. „Da ist es gut, wenn jemand da ist, der sie professionell auffängt.“ Es sei wichtig, dass bei der Feuerwehr die Kultur des Aufgehobenseins gepflegt werde. „Anfangs hat keiner eine Vorstellung, was so ein Einsatz mit ihm macht.“ Jeder sollte zudem die Gewissheit haben, dass es keine Schande ist, zu sagen, „das kann ich heute nicht“. Ist von vornherein klar, dass es ein schwerer Einsatz wird, werden die jungen Leute nicht gleich nach vorne geschickt. Aber auch langgediente Feuerwehrleute sind nicht jeden Tag gleich belastbar.
Die Notfallseelsorger werden von den Kommandanten angefordert. Sie sind entweder am Einsatzort tätig, wo bei Bedarf der Kriseninterventionsdienst (KIT) hinzugeholt wird - in der psychosozialen Notfallversorgung arbeitet man zusammen – oder man setzt sich zum Gruppengespräch zusammen, wenn alle ins Feuerwehrhaus zurückgekommen sind. Über Belastendes zu sprechen sei sehr wichtig. „Ich sage allen, sprecht mit euren Partnern, mit der Familie, mit Kameraden. Nur wenn es fließt, kann es sich nicht festsetzen, nicht einbrennen“, ist der Rat des Seelsorgers. Keiner sollte denken, er müsse es alleine schaffen. Mit psychischen Belastungen, wie sie ein Einsatz möglicherweise bedeutet, umzugehen, muss man lernen. Lange Zeit wurde unterschätzt, welche Folgen nicht verarbeitete Erlebnisse haben können. Belastungsstörungen können sich unter Umständen erst nach einem Jahr äußern, durch Rückzug, Suchtverhalten bis zum Zerbrechen von Beziehungen. Wenn der Kommandant es für angebracht hält, kommen die Notfallseelsorger, die grundsätzlich zu zweit im Einsatz sind, nach einer Woche zu einem Nachgespräch. Wer etwas gar nicht verkraftet, sollte sich spätestens nach vier Wochen professionelle Hilfe holen, betont Lehenberger.
Das Bild von den harten Kerlen, die alles aushalten (müssen), an denen alles abprallt, hat sich glücklicherweise geändert. Das liegt auch am Generationswechsel, der gerade stattfindet und am gewandelten Führungsstil. So wird heute nicht nur auf eine gute Ausbildung der Feuerwehrleute geachtet - an ihre Seele wird auch gedacht.