Die Gemeindereform war keine Liebesheirat - 50 Jahre Eingliederung
am 08.07.2022 von Barbara Rau
Seit 1. Juli 1972 gehören die bis dahin selbstständigen Ortschaften Beuren, Großholzleute, Neutrauchburg, Rohrdorf zur Stadt Isny. Wieviel Einsatz, Gespräche, Infoveranstaltungen, Überredungskunst und Verhandlungen es bis dahin brauchte, machte der Festakt am 1. Juli 2022 mit Altbürgermeister Hubert Benk deutlich.
Die Eingliederung, wie es offiziell genannt wurde, sei „heute noch ein Grund zu feiern“, betonte Bürgermeister Rainer Magenreuter bei der Begrüßung. Die derzeitigen Ortsvorsteher, Ortschafts-, bzw. Gemeinderäte von damals und heute, ehemalige Verwaltungsmitarbeiter, Stadträte, Mitglieder des Fördervereins Museum und weitere Festgäste tauchten im großen Sitzungssaal des Rathauses in die Zeit vor 50 Jahren ein. Und auch wenn etliche Gäste alt genug waren, um die Eingliederung bewusst miterlebt zu haben, so war es doch für jeden spannend, von Hubert Benk, der von 1968 bis 1985 Bürgermeister der Stadt Isny war, und Museumsleiterin Ute Seibold bei einer Gesprächsrunde Details und Anekdoten zu hören. Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von Musikern aus den Musikkapellen Bolsternang und Beuren.
Die Vernunft siegt
„Die Eingemeindung war keine Liebesheirat, sondern die Ultima Ratio“, stellte Benk fest. Vernunft hat am Ende die meisten zustimmen lassen. Man habe den Gemeinden keineswegs das Blaue vom Himmel versprochen, „Ehrlichkeit war gefragt“. Aber in den Eingliederungsverträgen sei vielen Sorgen und Wünschen Rechnung getragen worden und sie hätten Bestandsgarantien enthalten. Die sogenannte „Kopfprämie“ half wohl auch. Auf die zu verzichten, indem man sich nicht rechtzeitig geeinigt hätte, konnte sich keiner leisten. Denn es kamen ja keine wohlhabenden Gemeinden zusammen. „Fünf Arme ergeben keinen Reichen“, sagte Benk treffend. Ute Seibold zitierte dazu den damaligen Innenminister Walter Krause, wonach das Gefühl der stärkste Gegenspieler der Reform sei „hier aber ist der kühle Verstand des rechnenden Ökonoms erforderlich“. Der Verstand hat gesiegt: Am Ende standen am 29. März 1972 im Ochsensaal dann die Unterschriften unter dem „Rechtsakt“, wirksam wurde dieser am 1. Juli.
Der Weg dahin war jedoch ein langer. „Er war nie zuhause“ – dieser Satz von Hubert Benks Ehefrau Christel bringt das Geschehen von damals vermutlich am besten auf den Punkt. Es müssen unzählige Sitzungen und Verhandlungen gewesen sei, bis das neue Isny mit den eingegliederten Ortschaften als Gebilde feststand. Bürgermeister Benk hat die gesamte Eingemeindungsprozedur, die sich über längere Zeit hinzog, mitgestaltet, wohl auch mitgelitten.
Ute Seibold ließ mit ihren gezielten Fragen manche Episode aus der damaligen Zeit wieder lebendig werden. So erin-nerte sie an die maßgebliche Sitzung im Adlersaal in Großholzleute im Februar 1972. „Die hat den Durchbruch gebracht“, stellte Benk fest. Die Verhandlungen seien ja weitgehend auf Ebene der Bürgermeister gelaufen, die – kein geringer Aspekt - mit der Eingemeindung ihre teils jahrzehntelange Position verloren. Die ehemaligen Reichsstädter mit ihrem immer noch vorhandenen Stolz waren wohl auch nicht jedem geheuer. Und da waren ja auch die Flirts mit den Gemeinden Eisenharz und Eglofs, die sich zu Argenbühl zusammenschlossen.
Zusammenhalt bringt Stärke
Das Ende der Phase der Freiwilligkeit sei im Raum gestanden und ein neutraler Vermittler daher notwendig gewesen. Betreut durch einen Verwaltungsaktuar wurde diese Sitzung im historischen Gasthof Adler ein Erfolg. Es machte den Ortschaften klar, dass eine Verwaltungsgemeinschaft, wie sie mit den Argenbühl-Gemeinden möglich gewesen wäre, „nicht das Zuckerle des großen Bonus‘ und weniger Zuständigkeiten gebracht hätte“, erinnerte Benk. Aber auch wenn im Adler „alle aufs Gleis“ gebracht worden sind, so machte doch Großholzleute hinterher wieder einen Rückzieher, wie Ute Seibold verriet. Die Bevölkerung habe wohl letztlich angesichts der Tatsache, dass der Altkreis Wangen in Auflösung stand, resigniert, vermutete die Museumsleiterin, warum der Widerstand dann doch verflachte.
„Gemeinsam sind wir stark. Nur gemeinsam können wir den Herausforderungen der letzten Jahrzehnte und der aktuellen Zeit adäquat begegnen“, erklärte Bürgermeister Magenreuter, warum die Entscheidung auch nach 50 Jahren noch passt. „Damals wie heute müssen vier starke Ortschaften, alle mit einem eigenen Charakter und selbstbewusste Ortsvorsteher, mit der Stadt Isny klar kommen.“ Dass die Stadt und die Ortschaften unterschiedliche Eigenschaften, Ansichten und Fähigkeiten haben, die sich gegenseitig ergänzen und unterstützen, sei aber stets auch eine optimale Voraussetzung dafür gewesen, mit allen Herausforderungen fertig zu werden.
Wer sich weiter ins Thema vertiefen möchte, kann das bei der Sonderausstellung 50 Jahre Eingliederung und 111 Jahre Vereinigung mit der Vorstadt im Stadtmuseum tun. Altbürgermeister Hubert Benk empfiehlt diese wärmstens.
Info: Sonderausstellung „Die schönste Gemeinde“ im Städtischen Museum im Schloss; 1. Juli bis 31. Dezember; Öff-nungszeiten: Mi, Do, Fr, 14 bis 18 Uhr, Sa, So, Feiertage, 11 bis 18 Uhr