Betroffene werden zu Beteiligten - 20 Jahre Behindertenbeirat
am 09.01.2020 von Barbara Rau
Seit 20 Jahren gibt es in Isny einen Behindertenbeirat mit Behindertensprecher beziehungsweise Behindertenbeauftragter. Das fehlende Bewusstsein für die Notwendigkeit, barrierefrei zu bauen, war Anlass, dieses Amt einzuführen. Im Frühjahr ist wieder Wahl.
Mit dem Isnyer Kino hat es angefangen. Dass dieses nach der Renovierung für Menschen mit Handicap, vor allem mit Rollstuhl, ein unerreichbarer Platz war, führte zu einer Demo mit Verleihung einer „Gelben Zitrone“ für nicht barrierefreies Bauen. Es gab damals schon Strukturen und Aktivitäten, die 1999 in ein festes Gremium mündeten. Aus der offenen Behindertenarbeit (OBA) heraus, die wiederum wesentlich von behinderten Menschen des Stephanuswerks hervorgegangen war, wurde der Behindertenbeirat begründet. Am 3. Juli 1999 war die „Handicap-Messe“ – ähnlich der heutigen Seniorenmesse – und an diesem Tag erfolgte die Wahl zum Behindertensprecher (später Behindertenbeauftragter genannt). Jürgen Schlichter wurde von Betroffenen gewählt, gemäß der Intention, „aus Betroffenen Beteiligte machen“. Otto Ziegler, früh inklusionsbewegt und seit Vereinsgründung Vorsitzender der OBA, war Initiator und Motor, der entsprechend seiner christlichen Überzeugung bei den Kirchengemeinden und der Kommune gleichermaßen die bessere Integration behinderter Menschen in das gesellschaftliche Leben mit Nachdruck eingefordert hat. „Ohne Otto Ziegler wäre das nicht ins Laufen gekommen“, sagt Hannelore Sieling, die damals dem Beirat beitrat. Seit 2012 ist sie selbst Behindertenbeauftragte der Stadt, ihre Stellvertreterin ist Corinna Padberg. Zuvor waren Dagmar Dobermann, Jürgen Schlichter, Monika Hauser und Jochen Gröber, Michael Agotz und Hubert Möslein Behindertenbeauftragte beziehungsweise Stellvertreter.
Aus den Fehlern habe man in der Stadt gelernt, „es hat sich was verändert“, loben Hannelore Sieling und Otto Ziegler. Sie nennen beispielhaft den Oberen Graben, die Planungen für den Marktplatz und den barrierearmen Wanderweg. Isny wurde bereits dreimal als behindertenfreundliche Stadt ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei von Wertschätzung gekennzeichnet und man bekomme Unterstützung. Umgekehrt gilt das aber auch, wie Markus Lutz vom Fachbereich Bauen, Wirtschaft, Immobilien erklärt. Er ist Ansprechpartner für Barrierefreiheit im öffentlichen Straßenraum. „Mit Frau Sieling zusammenzuarbeiten ist konstruktiv und sehr angenehm.“
Noch viel zu tun
Aber es gibt auch noch einiges zu tun. Im Schloss oder in der vhs sind Aufzüge gewünscht. Generell sollten Sitzungsräume barrierefrei erreicht werden können. Auch die Verwendung von einfacher Sprache zählt zur Barrierefreiheit.
Bei der Teilhabe gibt es Rückenwind durch die Gesetzeslage. Sei es das Landesbehindertengleichstellungsgesetz oder die entsprechende UN-Konvention. Allerdings finden Sieling und Ziegler, dass in Isny im Behindertenbeirat zu viele Vertreter von Einrichtungen und Diensten sind und weniger Betroffene. Das soll sich ändern und künftig mehr Betroffene oder deren Vertreter im Beirat sitzen. Auch politische Vertreter sind erwünscht im Beirat, aus jeder Fraktion sollte einer benannt werden. Der Beirat ist zahlenmäßig unbegrenzt.
Kommendes Frühjahr ist wieder Wahl. Die bisherige Urwahl ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr möglich. Hannelore Sieling ruft deshalb dazu auf, dass sich aus allen Gruppierungen Vertreter für den Behindertenbeirat bei ihr melden. Aus dem Beirat heraus werden zwei Sprecher gewählt. Geändert hat sich die Voraussetzung für die Wählbarkeit des Sprechers. Der Behinderungsgrad wurde von 50 auf 30 Prozent gesenkt. Dass sich insbesondere die Betroffenen im Beirat einbringen, ist ein dringender Wunsch von Hannelore Sieling und Otto Ziegler.