Alles gesagt, oder was?

Es gibt eine neue Frage, die nun neben „Wie geht es dir?“ und „Was machst du so?“ in das Standard-Repertoire der Floskeln gehört: „Was hast du so in der Quarantäne-Zeit gemacht?“
Eine ungefährliche Formulierung, ein Thema, zu dem jeder etwas sagen kann, eine Frage, die sich in Smalltalk-Schwätzchen ebenso gut einbauen lässt, wie in ein Bewerbungsgespräch.
„Fräulein Florack, was haben Sie denn während der Quarantäne-Zeit gemacht?“
Kurz stocke ich, schmunzle dann, antworte: „In den letzten Monaten habe ich für meine Stadt einen Quarantäne-Blog geschrieben.“
Interessiert bis irritiert hakt der Professor nach und fragt, worüber ich denn da schreiben würde.
Ich antworte, erzähle von Buchempfehlungen und daheim-bleib-Beschäftigungen, von Beobachtungen, Mutmachern und Zuhause-Songs. Davon, dass das Projekt nun ausläuft.
Was jetzt? Alles gesagt? Nichts mehr, worüber man berichten könnte, kein Thema mehr über das es sich zu schreiben lohnt?
Nein. So ist das nicht.

Die letzten Monate waren von Veränderungen geprägt, am Anfang stand ein Paukenschlag, eine plötzliche Umstellung, die lange nachklang. Dieser anfängliche, laute Ton scheint momentan zu verklingen. Die Lockdown-Phase und all ihre Schwierigkeiten sind beinahe passé – hoffen wir, dass es so bleibt. Die „Rückkehr zur Normalität“ ist ein Begriff in aller Munde und wer Isny in den letzten Wochen beobachtet hat, der kann vermutlich bestätigen, dass diese Normalität wieder die Devise ist, nach der man sich hier bei uns verhält. Zumindest fast.

Ein langsamer Übergang zur Normalität. Das mag für unseren Alltag gelten, für mein Schreiben hier nicht. Dieser Blog sollte ein optimistischer Beitrag zur Krise sein; meine Art mit Dingen umzugehen – das Schreiben, eine Aufmunterung in turbulenten Zeiten – euer Mitlesen. Diese akute Krise scheint vorbei, vorsichtiger formuliert: pausiert.

Nun entsteht ein Raum für Neues. Indem wir aus Konsequenzen lernen, manch ein Verhalten überdenken, in Mitleidenschaft Gezogenes wieder aufbauen und – behutsam – weitermachen.
Platz für Neues, Kommendes, Anderes auch bei mir.
Umso mehr freue ich mich, dass dieser abschließende Text, auch zugleich ein bald beginnendes Event ankündigen darf: Im Herbst starten in Isny, Wangen & Leutkirch die baden-württembergischen Literaturtage unter dem Motto „Weiterlesen“ und der Corona-bedingten Haltung „Jetzt erst recht!“.
Und wer jetzt glaubt, angestaubte, schläfrige Lesungen sind nichts für ihn*sie – der kann sich auf ein buntes, vielseitiges Festivalgeschehen freuen! Viel darf ich leider noch nicht verraten, aber was ich sagen kann: Ich werde wieder – schreibend – von mir hören lassen im Rahmen eines städteübergreifenden Festivalblogs, den man auch schon unter www.bwlt2020.de/blog beäugen kann.

Platz für Neues – für diesen Platz, diese Lücke noch zwei letzte Anmerkungen:

  1. Wir haben in diesen vergangenen Monaten gemerkt, was uns wichtig ist und was uns fehlt. Diese Dinge – alltägliche Freiheit, Reisemöglichkeiten, Kulturangebote, kleinstädtische Sicherheit – sollten wir nicht nur aus Trotz jetzt wieder „erkämpfen“, sondern auch ansonsten in unserer privilegierten Position wertschätzen.
  2. Manche Beschäftigungen, für die wir in dieser Phase plötzlich Zeit hatten, sollten wir uns auch jetzt noch erhalten. Beispielsweise mehr lesen, eine Vereinbarkeit von Job und Familie überdenken, neue Dinge ausprobieren, öfters mal die Oma anrufen oder allgemein mehr auf die achten, die sonst zurückbleiben.

Hallo Isny –
Bis dann Isny,
Charlotte

One Comment

  • Renate Metzler sagt:

    Alles Gute für Sie!
    Und zu guter Letzt noch einmal: nachdankenswerter Lesespaß aber viel zu selten – jedenfalls für meinen Geschmack.

    Viel Spaß im Studentenleben!
    Renate Metzler

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