Was liest du momentan? (Pt.2)

Der Sommer hat angeklopft, man war etwas verunsichert wie man ihn unter Beachtung der Hygiene-Maßnahmen ins Haus beten soll, aber jetzt hat er einen Fuß in der Tür.
Dieses Jahr bleibt man daheim, sämtliche Urlaubspläne erscheinen ein wenig lächerlich. Was tun?
Probieren, ob heimatliche Erdbeeren und kühles Bier, nicht genauso gut sind, wie Früchte auf französischen Märkten oder italienischer Rotwein in der Toskana. Zufriedenheit auf der Terrasse finden und sich den Sommer selbst im Garten bauen. Ein bisschen Rauschen im Gras, im Wald, im Park, das ähnlich klingen kann wie Meer. Wenn man es probiert.
Da für diese Gartenzeit, diese Zeit auf Parkbänken oder Balkonien, Bücher geradezu gemacht sind, folgt hier Part 2 der aktuellen, empfehlenswerten Lektüren.

„Was liest du gerade?“

Die Pest – Albert Camus
Eine Antwort, die ich überproportional häufig erhalten habe.  Tolles Werk, aber ob das wirklich die richtige Lektüre ist, bleibt für mich diskutabel. Wir werden sowieso schon mit Nachrichten und Updates zur covid-Krise überflutet, warum dann noch in dieser Seuchen-Erzählung nach Parallelen suchen? Andererseits vielleicht ganz gut, um zu realisieren, dass die Umstände für eine Pandemie nun kaum besser sein könnten. Man stelle sich die ganze Sache mal mit tausenden Ratten, Schmutz auf den Straßen und ohne Duschen vor. Atemschutzmasken? Desinfektionsmittel? Fremdwörter.

Helmut Kohl: Eine politische Biographie – Hans-Peter Schwarz
Must-have für jedes Bücherregal, dass einen belesenen, weltgewandten Eindruck vermitteln will. Da man erwartungsgemäß viel über die Einheit lesen wird, hilft es vielleicht auch zu begreifen, wie wichtig Einheit in einer anderen Dimension jetzt ist.

Sturz der Titanen – Ken Follett
Das Abtauchen in andere Zeiten scheint momentan eine beliebte Strategie zu sein. Mit „Sturz der Titanen“ gelingt das besonders dauerhaft, denn dieser fette Schmöker über das lange 20.Jahrhundert hält beschäftigt. Ha, und dann realisiert man am Ende: huch, wir befinden uns ja erst im Jahr 1930, noch ist nichts vorbei und die zwei dicken Folgebände warten schon. Beschäftigungstherapie hoch 10.

Herr Rudi – Anne Herzig
Gegenprogramm zur Follett-Trilogie: nur 140 packende Seiten. Ein Ruheständler, der seiner alten Liebe nachtrauert, ein Salzburger Hotel und jede Menge rührende Emotion und Komik. Fürs Sommerfeeling taucht auch Orangen-Zitronen-Marmelade auf.

Trotzdem – Ferdinand von Schirach & Alexander Kluge
Wer nach Camus‘ „Pest“ und der täglichen Nachrichtenration, noch genug Motivation für die Pandemie-Thematik aufbringen kann, ist hier goldrichtig. „Trotzdem“ bildet ein Whatsapp-Gespräch der beiden Juristen Schirach und Kluge ab und gibt Einblicke in philosophische Aspekte des Lockdowns, abseits aller Verschwörungstheorien.

Bella Germania – Daniel Speck
Steht schon länger auch in meinem Regal, eine perfekte Sommerlektüre. Insbesondere, wenn der eigene Urlaub dieses Jahr flach fällt, hilft da diese italienisch-deutsche Familiengeschichte und eine mitnehmende Reise inklusive „dolce vita“. Mein Exemplar hat ein Salzwasser-Wellenbad abbekommen – wenn man diesen Flair möchte, versichere ich: Das lässt sich sicher mit einer Schüssel Wasser und 2 EL Salz nachstellen.

Das wars, das muss reichen.
(Außer man möchte Beschäftigungen für seinen in Kurzarbeit steckenden Vater/Ehemann kreieren, wie zum Beispiel ein neues Bücherregal zu basteln, da das alte platzt. Meiner hat das schon erfolgreich hinter sich gebracht.)
Ansonsten muss aber am Ende des Tages noch genug Zeit bleiben, um sich einen Sonnenbrand zu holen, leidlich den Rasen zu mähen oder all die Pläne umzusetzen, die man sich für den Sommer zurecht gelegt hat. Denn wenn man mal nicht weg fährt, hat man ja Zeit für unglaublich viele andere Dinge. Eine Schlussfolgerung, die ich stark bezweifle. Wahrscheinlich bleiben die meisten spätestens am Hochbeet hängen und weil wir alle mit der Hitze und der Krise zu kämpfen haben, fängt man an mit den liebevoll beobachteten Salatpflänzchen zu reden. Vielleicht schließe ich da aber auch nur von mir auf andere.
Um also nicht verrückt zu werden, nicht im Geruch der Gewohnheit zu versinken oder den Sommer 2020 direkt aus den Kalender zu streichen, sollten wir alle lesen. Oder es zumindest versuchen.

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3 Comments

  • Petra Eyssel sagt:

    Momentan lese ich …
    „Gott fährt Fahrrad“
    In diesem Roman erfährt Maartent´Hardt, dass sein Vater todkrank ist und behält die Nachricht für sich. Sein vitaler Vater ist von Beruf Grabmacher und verwaltet „seinen Friedhof“ wie ein Königreich. Er pflegt einen alltäglichen Umgang mit dem Tod. Für mich ist es das eigentliche Thema dass hinter dem Corona Virus steckt. Mich beschäftigt, wie wir gesellschaftlich mit Leben und Tod umgehen. Feinfühlig und mit seinem eigenen Humor nähert sich Maartent´Hardt diesem Thema an. Ein Mutmacher Buch.

  • Oliver sagt:

    Andreas Föhr // Tote Hand

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