Was liest du momentan? (Pt.1)

Empfehlungswahnsinn in Corona-Zeiten, habe ich geschrieben. Unzählbare „besonders tolle Buchlisten“, habe ich ironisch angemerkt. Dann habe ich nachgefragt, was ihr denn gerade lest. Das war so Einiges, daher an dieser Stelle nur ein erster Teil – Fortsetzung folgt.

Hier also die Buchliste der etwas anderen Art Pt.1 und, wenn jetzt jemand sagt „Momentchen hatte sie nicht geschrieben, wir brauchen nicht noch mehr Empfehlungen“, kann ich nur erwidern:
1. seid ihr im Grunde ja schuld. Schließlich hab ich niemanden gezwungen mir von seiner aktuellen Lektüre zu erzählen.
Und 2. brauchen wir vielleicht nicht unbedingt mehr Empfehlungen, aber mit Sicherheit mehr Lesestoff.

Denn wer liest, der streitet nicht mit der Familie, die einem langsam aber sicher auf die Pelle rückt, der backt keine vierundzwanzig Hefezöpfe aus der gehorteten Hefe, die so langsam abläuft und wer liest, der redet nicht. Auch das kann ein Vorteil sein. Im Gegenteil kann uns das Lesen – diese Tätigkeit mit dem strebsamen Langweiler-Image – jetzt zusammenhalten. Es ist ein persönlicher und gesellschaftlicher Kit.

Lesen bedeutet Flucht in Geschichten, das Ausknipsen der schwierigen Welt um uns herum und das Ankommen in neuen Möglichkeiten. Wenn wir hinter einem Buch versinken sieht das außerdem friedlich aus, so als würde uns rein Garnichts stören an dieser ganzen Krisen-Sache.
Lesen, die Reise im Kopf und das Ziel dieser Reise, ist natürlich stark abhängig von dem, was wir lesen.

Darum – Was liest du gerade?
Eure aktuellen Lektüren und meine mal mehr, mal weniger ironischen Empfehlungen dazu:

Wenn Martha tanzt (Tom Saller) – Roman über die Bauhaus-Zeit und das Portrait einer Kunststudentin. Ideal für die Flucht in andere Jahrzehnte, auch um zu erkennen, dass nicht nur wir uns in schwierigen Zeiten befinden.

The Great Gatsby (F. Scott Fitzgerald) – auch hier gilt: wer in die glänzenden Goldenen 20er eintaucht, kann sicher bequem den seltsamen Start in unsere 20er verdrängen. Außerdem nächstes Level: einen Klassiker lesen. „Fitzgerald“ klingt da besonders gut.

Biedermann und die Brandstifter (Max Frisch) – hervorragend für den intellektuellen Anstrich und ideale Ablenkung von der Außenwelt, denn so ein Drama erfordert Fokus. Zugegeben aber auch etwas für besonders Ambitionierte und schlecht kombinierbar mit Homeschooling-Trubel.

Bring down the Stars (Emma Scott) – tada und hier kommt das Gegenteil: Amerikanische College-Lovestory mit weiblichem Hauptcharakter namens – Achtung – ‚Autumn‘! Na, so lange es entspannt, darf man sich auch zum 73. Mal die „boy meets girl“ Geschichte zu Gemüte führen.

Effi Briest (Theodor Fontane) – die verstaubte Negativ-Variante von „boy meets girl“, hier eher: ein junges Mädchen wird als gute Partie geheiratet und empfindet die anschließende Ehe als Gefängnis. Womöglich nicht die ideale Lektüre, wenn man sich gerade eh schon eingesperrt fühlt.

Hippie (Paulo Coelho) – diese Erzählung dagegen nimmt jeden mit auf eine Reise. Nichts da gesellschaftliche Zwänge à la Fontane, es wird bunt, frei, es gibt einen „Magic Bus“ und viel 1968-Feeling.

Die Geschichte der Bienen (Maja Lunde) – Familiengeschichte, mitreißend, hochaktuell. Als erster Band der so genannten Umwelt-Trilogie ist diese Lektüre bestens geeignet für das Bücher-Paket „Probleme neben Corona“. Genau wie …

Untenrum frei (Margarete Stokowski) – provokant, feministisch, befreiend. Von den Mechanismen sexueller Unterdrückung und Geschlechtergerechtigkeit; somit vermutlich die kritischste Variante von ‚boy meets girl‘.

Wut ist ein Geschenk (Arun Gandhi) – über die Wege zu Frieden und Gewaltlosigkeit und wie wir mit Wut umgehen, erzählt von Mahatma Gandhis Enkel. Als Appell ebenfalls sehr passend, um auch zum „Probleme neben Corona“-Paket zu gehören.

Das Isnyer Bähnle (Erhardt Ott) – schließlich noch eine Portion Heimat-Historie und Idylle, die das Bücherregal abrundet und ebenfalls eine rührende Ablenkung bietet. Für alle, bei denen Bimmelbähnchen ein ach-wie-süß-Gefühl hervorrufen.

 

So, Ende, Schluss mit netten Romanempfehlungen.
Denn es werden auch ganz andere Sachen gelesen. Stapelweise Home-Office Unterlagen, abiturrelevanter Lernstoff, man liest die Projektarbeit für die Uni Korrektur oder studiert die Emails von Kunden. Das klingt schon weniger nach ‚Reise im Kopf‘ und deutlich unromantischer.

Wer diesen Teil des Lesens, den anstrengenden und unfreiwilligen Part, geschafft hat, darf sich dann auch mal was gönnen.
Wir alle dürfen uns in diesen Zeiten mal was gönnen. Sämtliche Anschaffungen sind sowieso auf unser häusliches Umfeld begrenzt; man sollte also meinen, es wird nicht zu teuer, von besonderem Essen (ohje) ist abzuraten, denn aus Langeweile gehen wir nun eh dreimal mehr als sonst zum Kühlschrank.

Spontan würde ich sagen, bleiben dann noch zwei Sachen übrig: Haushaltsgeräte oder Bücher. Wer sich also nicht schon ewig auf einen neuen Staubsauger freut, dem würde ich zum Buch raten. Im Anschluss kann man sich ja dann den Staubsauger für das gefüllte, nach und nach staubige Bücherregal zulegen.

Du bist in eine ganz andere Lektüre vertieft? Dann schreib mir, was du gerade liest, hinter welchem Buch du versinkst, mit welchen Zeilen du dich beschäftigen musst…

2 Comments

  • Renate Metzler sagt:

    Teufel, wann soll ich denn das alles lesen? – Und das, obwohl wir doch nun schon 2(!) Bücher haben…
    Da machen die Anmerkungen doch zum Teil richtig Lust auf’s nächste Buch!.

    Eigentlich wie immer – eben ein immer wieder gut zu lesender und gern gelesener Blogeintrag.

    Schreiben Sie weiter, ich lese weiter – trotz Kaffeetasse in der Hand und Blick aus dem Fenster macht mich Corona so ein kleines Stück weitsichtiger 😉

    • Charly Florack sagt:

      Vielen Dank!
      Na, vielleicht können wir ja mit dem ganzen Lesen dafür sorgen, dass auch die ganzen Optiker Isnys nach der Krise so richtig was zu tun haben..! Genau wie gute Bücher, gibt es ja davon auch einige bei uns (;

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