… und die Frage, wie unsere Haustiere das ertragen.

–   Ich geh jeden Tag mit meiner Katze spazieren.
–   An der Leine?!
–   Nein, nein – ich geh halt so mit der Gassi.
–   Okey, beruhigend zu hören…
–   Was man halt so macht, wenn man jetzt keinen Hund hat und trotzdem Gassi gehen möchte.

Selten waren wir mehr zu Hause als jetzt. Neue Möglichkeiten, Nachteile, Stress, Umstellung – all das bringt dieser Zustand mit sich.
Am meisten irritiert von der Gesamtsituation scheint allerdings meine Katze zu sein. Genervt bis in die Schwanzspitze, unruhig zuckende Ohren und klagende Laute, die eindeutig Beschwerde ausdrücken.
Was macht ihr hier?
Warum geht ihr einfach nicht mehr?
Und vor allem: Wann endet diese Dauerbelästigung, diese Dauerbelastung eurer Anwesenheit?

Auf die letzte Frage, die man meiner Katze anhand der genervten Flucht anmerken kann, versuchen gerade viele Menschen Antworten zu finden – Politiker, Virologen, Gesellschaftswissenschaftler. Wo liegt das Ende dieser jetzigen Krisensituation? Die Antwort darauf ist meist indirekt: Wir müssen uns gedulden.

Mein bester Freund erzählte mir, dass er gerade „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“ von Axel Hacke lese. Sicherlich keine Lektüre für jeden, aber der Titel fasst das Seelenleben meiner Katze recht gelungen zusammen.
Wenn wir Kinder dieser Tage ihre Lieblingsstühle belagern, schon am Vormittag das Haus beschallen oder auf ihrer Wiese in ihrem Garten tollen, lebt auch sie in schwierigen Zeiten, in denen es schwer fällt noch den Anstand zu bewahren. Da kann einem schon mal die kratzende Pfote ausrutschen oder man flüchtet fauchend, gibt sein Revier auf.

Klar, momentan den eigenen Anstand zu erhalten, ist nicht immer leicht. Das ist eine Tugend, die schnell unter den Tisch fällt, wenn man im Drogeriemarkt um Hygieneartikel kämpft und seine Schäfchen ins Trockene bringen will.

Und wo, wann geht dieser Anstand abhanden? Das Drängen auf Ergebnisse, Lösungen, Lockerungen, medizinische Erkenntnisse nimmt zu, die Geduld nimmt ab. Das Suchen nach Sündenböcken hat begonnen.
„Die Frage, wie wir miteinander umgehen“ ist wichtiger denn je. Uns dankbar zu zeigen und die Ruhe zu bewahren, ist wichtiger denn je. Bessere Bedingungen, als wir sie haben, könnte es dafür kaum geben: Ein idyllisches Nest wie Isny, grüne Wiesen, voreilige Löwenzahnblüten und beruhigendes, strahlendes Blau.
Meine Katze maunzt unter mir, begutachtet kritisch die entspannteste Form des Home Offices – meine Hängematte. (Selbst hier im Vorgarten machen die sich jetzt breit, kaum zu glauben.)

Kein Wunder, dass unsere Haustiere nicht ganz mitkommen – nicht nur wir sind überfordert, wir überfordern auch sie. Alle Katzen, Hunde, die insbesondere vormittags ihre Selbstständigkeit genossen haben, sind nun in einen ständigen Zustand der Koexistenz, der Bespielung und Beschäftigung gerutscht. Mittlerweile ist auch dem Letzten aufgefallen, dass er seit ein paar Jahren einen tierischen Mitbewohner im Haus hat.
An alle Hunde, die nun 5-mal mehr ausgeführt werden, an alle Katzen, die nun als Gassi-geh-Ersatz herhalten müssen, an alle Kaninchen, die nun den „so-bleibt-dein-Hopser-fit-Parcours“ austesten müssen – auch ihr schafft das.

Meine Katze versucht zu mir in die Matte zu springen, scheitert. Vielleicht wäre der Häschen-Parcours auch eine gute Idee für sie.
Ich komme nicht dazu den Aufbau einer solchen Vier-Pfoten-Abenteuerstrecke zu googeln; Corona-Schlagzeilen nehmen meinen Laptop in Beschlag, zerren an meiner Aufmerksamkeit. Schwierige Zeiten, schwierige Zeilen.
Entschlossen klappe ich den Laptop zu, lese das jetzt nicht. Mittlerweile hat sich meine Katze im Gras zusammengerollt: Unsere andauernde Anwesenheit entgegnet sie mit noch mehr demonstrativem Schlafen. Vielleicht, denke ich, vielleicht sollten wir dieses Verhalten einfach adaptieren: Im Gras dösen, so tun als wäre man nicht genervt und uns in sonniger Zurückhaltung erproben.

Außerdem ist gewiss, dass unsere Haustiere unter überdurchschnittlich vielen Portraits zu leiden haben. Hier nur ein paar Beispiele:

 

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